19 der 20 möglichen Standorte des Schweizer Atommülllagers liegen in unmittelbarer Nähe der Grenze zu Baden-Württemberg. Darauf hat der BUND Baden-Württemberg zeitgleich mit einer Information des Schweizer Bundesamtes für Energie (BfE) hingewiesen. Und gleichzeitig „eine umfassende Beteiligung auch der deutschen Bürgerinnen und Bürger“ an der Entscheidung über ein Schweizer Atommülllager verlangt. Die Landesregierung in Stuttgart ist gefordert.
In zwei öffentlichen Veranstaltungen am gestrigen Montag und heutigen Dienstag informiert das Schweizer Bundesamt für Energie (BfE) die deutschen Bürgerinnen und Bürger über mögliche Standorte für Oberflächenanlagen im Zusammenhang mit der Suche nach einem Atommülllager für hoch- und mittelaktiven Atommüll. Die 20 vorgeschlagenen Standorte waren am 20. Januar von der Nationalen Gesellschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) veröffentlicht worden. 15 der 20 Standorte liegen nur zwischen 100 Meter und 8 Kilometer, weitere 4 Standorte zwischen 15 und 25 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt.
„Die Oberflächenanlagen der Atommülllager beherbergen ein erhebliches Gefahrenpotenzial. Da die Anlagenstandorte alle im grenznahen Bereich entstehen sollen, fordern wir eine umfassende Beteiligung auch der deutschen Bürgerinnen und Bürger über die bisherigen Sitze in den regionalen Begleitkommissionen hinaus“, so Berthold Frieß, Landesgeschäftsführer des BUND.
Besonders brisant sei der als „Verpackungsanlage“ bezeichnete Teil der Oberflächenanlagen. In dieser riesigen Halle von ca. 100x50x18 Metern sollen die „nackten“, hoch radioaktiven Brennelemente aus den angelieferten Transport-Castoren herausgezogen und in die speziell angefertigten Endlager-Behälter versenkt werden. „Das Strahlenpotenzial in der Anlage ist vergleichbar mit dem eines Atomkraftwerkes. Zugleich ist das Gefährdungspotenzial bei einem Unfall größer, da diese Hallen nicht durch einen Sicherheitsbehälter mit Betonhülle geschützt sind. Hier muss nachgearbeitet werden“, fordert Frieß.
Landesregierung an den eigenen Koalitionsvertrag erinnert
Die baden-württembergische Landesregierung müsse gemeinsam mit der Bundesregierung aktiv werden und unverzüglich im Zusammenhang mit der Planung dieser Oberflächenanlagen offizielle und verbindliche Verhandlungen aufnehmen, fordert der BUND. Grundlage dafür sind etwa das „Gemeinsame Übereinkommen vom 05.Sept.1997 über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle“ sowie die Empfehlung von Art. 2 Abs. 7 des UN/ECE-Übereinkommens über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen („Espoo-Konvention“).
„Bei diesen Verhandlungen und Entscheidungen muss unbedingt die von einem etwaigen Unfall betroffene Bevölkerung im Abstand von mindestens 30 Kilometern einbezogen werden“, erklärte Frieß und erinnerte die Landesregierung dabei an den eigenen Koalitionsvertrag. Darin heißt es, dass auch die Anliegen der Bevölkerung auf der deutschen Seite der Grenze vollumfänglich einbezogen sowie ein völkerrechtlich verbindliches Entscheidungsrecht eingeräumt werden soll.
Autor/PM/hpk