Das Bundeskabinett hat am Mittwoch die Solarstromförderung gekürzt. Die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegten Neuregelungen sehen vor, die Fördersätze möglichst zum 9. März einmalig um 20 bis 30 Prozent zu senken. Von Mai an soll die Förderung monatlich um weitere 0,15 Cent zurückgefahren werden. Protest gegen diese Art der Energiewende kommt auch aus der Region. Dazu das SeeMoZ-Interview mit Bene Müller, Vorstand von solarcomplex aus Singen.
In den nächsten Tagen wird das regionale Bürgerunternehmen solarcomplex in Büsingen das siebte Bioenergiedorf realisieren. Also nix mit Solarstrom. Inwieweit ist solarcomplex überhaupt von den Berliner Kürzungen betroffen?
Die solarcomplex AG selbst wird von den Absenkungen zwar auch betroffen sein, aber zumindest nicht dramatisch. Unser Geschäftsmodell ist mit den wichtigen Standbeinen „Bioenergie“ „Windkraft“ und „Dienstleistungen“ inzwischen breit und damit stabil aufgestellt. Aber unabhängig davon, ob man selbst wirtschaftlich betroffen ist oder nicht: Es ist schockierend, wie unfähig, unverlässlich und unglaubwürdig die Bundesregierung an ihren eigenen Zielen arbeitet. Wir sind solidarisch mit Zehntausenden von Menschen, die mit viel gutem Willen, Tatkraft und hoher Motivation jeden Tag an der Energiewende in Deutschland arbeiten und für die die Änderungen ein Schlag ins Gesicht sind.
Trotzdem unterstützen Sie den Protest führender Unternehmen und Verbände wie Eurosolar, Solar-Förderverein, Bundesverband Solarwirtschaft, Solarnetzwerk Konstanz, IG Bergbau, Chemie, Energie und BUND…
…weil das eine beispiellose Dreistigkeit ist, mit der die Minister Rösler und Röttgen die dezentrale Energiewende abzuwürgen versuchen. Die Einspeisevergütung für Solarstrom soll so radikal beschnitten werden, dass der weitere Zubau an Solarstromanlagen nahezu zum Erliegen kommen wird. Damit sind die von der Bundesregierung selbst gesteckten Ziele zum Scheitern verurteilt. Auf dem Papier sollten bis 2020 rund 35% des deutschen Stroms regenerativ erzeugt werden, aktuell sind es rund 20%: Eine knappe Verdoppelung in 8 Jahren! Ohne einen deutlichen Zubau insbesondere bei Wind und Sonne – welche die größten Potentiale haben – ist das unmöglich zu schaffen.
Und was passiert mit den Arbeitsplätzen?
Es stehen zehntausende Arbeitsplätze in der deutschen Solarbranche auf dem Spiel. Man fragt sich: Ist es möglich, dass ein Wirtschaftsminister keine Bilanzen lesen kann? Viele der deutschen Solarhersteller sind veröffentlichungspflichtige AGs, man muss sich die Zahlen also nur anschauen. Viele Unternehmen der deutschen Solarbranche haben schon für 2011 Probleme, schwarze Zahlen zu schreiben, manche werden tief in die Verlustzone rutschen, sogar erste Insolvenzen gab es bereits. Das war vor der nun drohenden Absenkung! Viele dieser Firmen werden Ihre Kosten nicht in dem durch die Vergütungssenkung geforderten Maß senken können. Sie müssten unter ihren Gestehungskosten verkaufen, und dies führt absehbar in die Pleite.
Sie kritisieren auch das politische Handwerk…
Die Novellierung eines Gesetzes zum 01.01. einzuführen und anderthalb Monate später, am 29.02., die erneute und drastische Änderung des Gesetzes zum 09.03. zu verkünden, ist schon rein handwerklich eine grottenschlechte Politik und Eingeständnis des Unvermögens. Und: Eine derart kurzfristige Änderung der Rahmenbedingungen verletzt jeden Vertrauensschutz, auf den sich wirtschaftlich handelnde Akteure verlassen müssen. Auf der Grundlage der seit 01.01. geltenden Vergütungssätze wurden lange im Voraus Projekte, auch Großprojekte, geplant, Darlehen beantragt, Materialmengen disponiert usw.
Die Bonner Akteure argumentieren, es ginge um nachvollziehbare Kostensenkungen
Die hohen Kosten sind in der Vergangenheit entstanden, an denen kann man nichts ändern. Es sei denn, man würde den Bestandsschutz für Alt-Anlagen zur Diskussion stellen, vielleicht kommt das ja auch noch. Die neuen Anlagen verursachen ständig geringere Kosten, weil die Installation pro kW bereits in den vergangen drei Jahren um 60% günstiger geworden ist und weiterhin günstiger werden wird, aber eben nicht beliebig. Seriöse Gutachten belegen, dass sich der weitere Ausbau von Solarstromanlagen vor dem Hintergrund der imposanten Photovoltaik-Lernkurve nur noch geringfügig auf die EEG-Umlage auswirkt.
Man hat den Eindruck, auch hier und jetzt agiert die Regierung im Sinne der Konzerne
Wer bei Solarstromvergütungen von nur noch 24 ct/kWh (Aufdachanlagen bis 30 kW) in der höchsten und 18 ct/kWh in der niedrigsten Vergütungsklasse (Freilandanlagen) mit den „zu hohen Umlagekosten“ argumentiert, muss konsequenterweise auch die Vergütung für Offshore-Windkraft zur Diskussion stellen. Diese beträgt nämlich bis zu 19 ct/kWh. Für die EEG-Umlage ist es völlig egal, ob eine Einspeisevergütung für Strom aus Sonne oder Wind (offshore) oder Biomasse bezahlt wird. Interessanterweise hört man zu den Kosten der Windkraft offshore nichts, obwohl die Vergütung auf dem gleichen Niveau liegt wie Freiland-PV bereits heute. Der Verdacht liegt nahe, dass man sich mit den Akteuren der Windkraft offshore nicht anlegen will, weil das die großen Stromkonzerne sind. Deren Gewinne werden geschützt.
Schon am 9. März – zwei Tage vor dem Fukushima-Jahrestag – soll das Gesetz in Kraft treten. Dies wäre ein deutliches Zeichen gegen Atomausstieg und Energiewende. Was also ist zu tun?
Die Parlamentarier des deutschen Bundestags sind nun aufgefordert, die geplante Fehlsteuerung zu verhindern und geeignete Rahmenbedingungen für eine Fortsetzung der eingeleiteten Energiewende zu erhalten. Schreiben Sie Ihrem Bundestagsabgeordneten und gerne auch den Ministern Rösler und Röttgen Ihre Meinung. Oder beteiligen Sie sich an der aktuellen campact-Kampagne.
Autor: PM/hpk
Und hier noch einige Adressen – für Ihren Protest: info@bmwi.bund.de oder: norbert.roettgen@bundestag.de Zu Ihrer Information: solarstrom-ausstiegsgesetz-verhindern.de